It’s gettin’ hot in here: Bericht zur 1. Kundgebung von ‘Ebbe Langts’ in Bockenheim

Bis zum Herbstbeginn sind es zwar noch knapp zwei Wochen, heiß wurde es am vergangenen Freitag in Frankfurt trotzdem erstmals. Die Plattform ‚Ebbe Langts!‘ leitete den viel beschworenen „Heißen Herbst“ mit einer Open-Mic-Kundgebung in Bockenheim ein, um endlich auch in Frankfurt eine linke Antwort auf Preisexplosion, Aufrüstung und Energiekrise zu artikulieren. Knapp 200 Menschen versammelten sich auf der Leipziger Straße, Ecke Markgrafenstraße, hörten sich die Redebeiträge verschiedener linker Organisationen an, verteilten Flyer an Interessierte und kamen dabei mit den Passant:innen und Anwohner:innen ins Gespräch. Denn eines wurde bei dieser möglichst offen gestalteten Kundgebung ersichtlich: die überwältigende Mehrheit der Menschen in Frankfurt ist – wenn natürlich auch mit Abstufungen – von der aktuellen Krisendynamik betroffen. Noch müssen die meisten nicht zwischen Heizen oder Hungern entscheiden, aber die Einschnitte durch die steigenden Lebenshaltungskosten sind bereits jetzt deutlich spürbar und vertiefen die dem Kapitalismus sowieso inhärenten sozialen Verwerfungen rasant – und der Ausblick auf den Winter bietet erst recht keinen Anlass für Optimismus.

In den fast durchweg guten und für eine linke Kundgebung erfreulich kurz gehaltenen Reden wurde u.a. auf die Verschränkung der aktuellen Inflations- und Energiekrise mit der zivilisationsbedrohenden Klimakatastrophe aufmerksam gemacht als auch auf die Auswirkungen der Preisexplosion auf Mieter:innen hingewiesen, die nun zusätzlich zu den exorbitanten Frankfurter Mieten auch noch gestiegene Gaspreise zu zahlen haben. Als wäre das nicht schon zu viel, müssen sie mittels der Gasumlage – der Ampel-Regierung sei Dank – auch noch die (Extra-)Profite von Energiekonzernen sicherstellen. 

Auch wir, der Aurora Räteaufbau, waren mit einem Redebeitrag vertreten, in dem wir unsere Wut über die Abwälzung der Lasten nach unten zum Ausdruck brachten. Außerdem warnten wir eindringlich davor sich von der derzeit immer lauter erklingenden Anrufung des nationalen „Zusammenhalts“ und dem damit verbundenen Aufruf nach Verzicht, Frieren und Waschlappen dumm machen zu lassen. Die ganze Rede ist unten diesem Bericht zum Nachlesen angefügt.

Nach einer Stunde fand dieser grundsätzlich gelungene Auftakt in den ‚Heißen Herbst‘ sein Ende. Zukünftig wird es darum gehen müssen das diffuse ‚Krisengefühl‘ der breiten Massen in ein reflektiertes Krisenbewusstsein umzuwandeln. Mitnichten eine einfache Aufgabe, aber immerhin scheint nun ein Anfang gemacht.

Die Rede vom Aurora Räteaufbau bei der 1. Kundgebung der Initiative „Ebbe Langts. Frankfurter Plattform gegen Inflation und Krise“ am 09.09.2022:

“Liebe Leute hier auf der Leipziger, liebe Genoss*innen,

Wir haben schon das ein oder andere gehört, warum wir hier sind. Warum wir abgefuckt und wütend sind über die politischen und sozialen Gegebenheiten, die wir alle erleben. Aber machen wir es noch einmal ganz klar – auch für alle, die hier nur gerade zufällig vorbei kommen.

Wir erleben momentan Preissteigerungen in ALLEN Bereichen des Lebens. Die Inflation treibt Kosten in die Höhe, egal ob es dabei um den Lebensmitteleinkauf geht oder um Kulturangebote – oder um Bereiche, in denen wir auch schon all die Jahre zuvor immerzu nur ein Ansteigen der Preise beobachten und erleben mussten; etwa bei den Mieten und den allgemeinen Lebenshaltungskosten.

Dass jetzt die steigenden Gaspreise auch noch zu Lasten vor allem der Verbraucher:innen zu gehen drohen und wir auf einen kalten Winter eingeschworen werden, in dem wir uns alle eben ein bisschen zusammen reißen müssten, das ist dreist und eine verdammte Farce.

Denn dass diverse Energiekonzerne unfassbare Gewinne einstreichen und gleichzeitig schon auf der Lauer liegen, um möglichst viele staatliche Hilfen und Rettungsgelder abzusahnen, passiert ja mitten vor unseren Augen!

Und worauf wird das alles geschoben? Auf den russischen Angrffskrieg in der Ukraine. Sicher – die Gasversorgung aus Russland ist dadurch beeinträchtigt. Sicher, Gas einzukaufen wird dadurch teurer. 

Aber wie kann es sein, dass das zu Lasten der Verbraucher*innen geht? Und wieso geht es nicht so sehr zu Lasten anderer wirklich großer Abnehmer für Gas in Deutschland, nämlich etwa der Schwerindustrie? Die Antwort ist im Grunde genommen ganz einfach: weil sich deutsche Politik einen Dreck um die Arbeiter:innen, um die Normalverbraucher:innen und um die am Rande der Armut oder bereits tief darin lebenden Menschen schert.

Weil sie Konzerninteressen überhöht und gleichsetzt mit öffentlichen Interessen – tatsächlich öffentliche, allgemeine Interessen aber herunterspielt. Und dann besitzen die Vertreter:innen der deutschen politischen Linie auch noch die Dreistigkeit, uns all das als eine Situation zu verkaufen, in der unser Zusammenhalt gefordert sei. In dem es darum gehe, die bösen Russen in die Schranken zu weisen.

Es liegt uns fern, den Aggressor in dem zugrunde liegenden Konflikt in Schutz zu nehmen. Wladimir Putin ist ein Autokrat, der einer korrupten russischen Oligarchie und sich selbst in die Taschen wirtschaftet und dabei über tausende und abertausende Leichen geht.

Solidarität mit den von Angriffen betroffenen Menschen in der Ukraine ist genauso angebracht, wie mit allen Menschen, die von Angriffen auf der ganzen Welt betroffen sind – wie beispielsweise die kurdische Bevölkerung, die etwa im Nordirak immerzu vom von deutschen Regierungen gerne hofierten NATO-Mitglied Türkei attackiert wird.

Es gibt hier keine gute und schlechte Seite. Es gibt konkurrierende Nationalstaaten, die töten und zerstören, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Und dafür, liebe Leute, sind wir nicht bereit zu frieren. Dafür sind wir nicht bereit, uns ausbluten zulassen, während die oberen paar Prozent unbehelligt ihren Reichtum ausbauen. Es geht hier, wie ihr seht, um mehr als nur darum, dass wir hier immer ärmer werden, weil die Löhne stagnieren, während die Kosten steigen.

Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage danach, wie wir als Menschen auf diesem Planeten leben wollen – und auch in Zukunft leben können. Denn Kriege, Aufrüstung, zwischenstaatliche Konkurrenz und militärische Drohgebärden – egal, ob auf dem Balkan, oder im schwarzen Meer gegenüber Russland, oder im Südchinesischen Meer zwischen der Volksrepublik China und den USA und Taiwan – befeuern die sich schon jetzt deutlich bemerkbar machende Klimakatastrophe – nützen uns Menschen aber rein gar nichts.

Darum, bitte nehmt die Lage ernst. Behaltet die Bewegung auf den Straßen im Auge. Lasst euch nicht von Kriegstreibern und Ausbeutern für dumm verkaufen.

Eine bessere Welt ist möglich – aber wir werden für sie kämpfen müssen.

Vielen Dank.”