Union Busting in der „sozialen” Marktwirtschaft?

Kein Widerspruch, sondern Klassenkampf von oben!

Der Klassengegensatz zwischen der arbeitenden Bevölkerung und den Kapitalist:innen existiert nur noch in den Betonköpfen einiger ewiggestriger Marxist:innen, denn in der sozialen Marktwirtschaft verfolgen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in einer von Harmonie und Glückseligkeit geprägten Sozialpartnerschaft dasselbe Ziel: eine starke bundesdeutsche Volkswirtschaft und Wohlstand für alle. Dieses märchenhafte Bild vom Wirtschaftsleben unter kapitalistischen Verhältnissen, das Liberale in Zeitungen, Talkshows und Klassenräumen nur allzu gerne propagieren, kann ärgerlicherweise nur so lange aufrechterhalten werden, wie man die Augen vor der Realität verschließt. Öffnet man diese jedoch, kann man Szenen beobachten wie sie sich am 14.04.2022 in Köln zutrugen: Planvoll herbeigeführtes Chaos, aggressive Tumulte und respektlose Verleumdungen als Reaktion auf den Versuch einiger Menschen ihre Arbeiter:innenrechte wahrzunehmen.

Doch was war genau geschehen? Beschäftigte bei Aldi-Süd wollten in der Aldi-Regionalgesellschaft Dormagen (80 Filialen mit insgesamt rund 1600 Mitarbeiter:innen) einen Betriebsrat gründen. Da vor der Wahl eines Betriebsrats, zum Zwecke dessen, die Wahl eines Wahlvorstandes gesetzlich vorgeschrieben ist, luden sie zur Wahlversammlung nach Köln ein. Etwa 526 Teilnehmer:innen folgten der Einladung. Unter ihnen waren allerdings auch über 100 Filialleiter:innen, ihre Stellvertreter:innen sowie Nachwuchs-Filialleiter:innen, die unverzüglich ihr schmutziges Spiel aufführten: Sie versuchten mit ununterbrochenen Zwischenrufen, Änderungsanträgen und der Verbreitung von Falschinformationen über die Durchführung der Wahl den Ablauf der Versammlung zu sabotieren. Sie beleidigten anwesende Arbeiter:innen, versuchten widerrechtlich die Versammlung zu filmen und stürmten schlussendlich die Bühne. Aufgrund der aggressiven Stimmung seitens der Filialleiter:innen, die ihre Aufgabe als würdelose Agenten des Kapitals mit ekelhafter Bravour erfüllten, und zur Verhinderung einer drohenden Massenpanik brachen die Initiatior:innen der Betriebsratsgründung die Wahl ab.

Das vorliegende Beispiel ist beileibe kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Paradebeispiel des Union Bustings, einer Strategie des Klassenkampfs von oben. Der Begriff ‚Union Busting‘ beschreibt die systematische und professionell geplante Sabotage, Bekämpfung und Unterdrückung von Arbeitnehmer:innenvertretungen mit dem Ziel gewerkschafts- und betriebsratsfreie Zonen durchzusetzen. Dabei greifen die Unternehmen häufig auch auf illegale Methoden wie beispielsweise die ungenehmigte Bespitzelung durch Detekteien, gezielte Verleumdung, widerrechtliche Kündigung von Vertreter:innen der Werktätigen oder eben die Blockade von Betriebsratswahlen, wie in Köln geschehen, zurück. 

In den USA ist Union Busting längst eine etablierte Branche für spezialisierte Anwaltskanzleien, Sicherheitsdienste, PR-Agenturen und andere Organisationen. Die amerikanischen Ausmaße sind in Deutschland zwar noch nicht erreicht, aber die Entwicklung in diese Richtung ist klar erkennbar. Auch hierzulande bieten spezialisierte Akteure längst Unternehmen ihre „Dienstleistung“ der Schaffung bzw. Wahrung betriebsratsfreier Zonen an. Die Methoden der Union-Buster sind dabei vielfältig und werden der jeweiligen Situation im Unternehmen angepasst. Lässt sich bspw. die Gründung eines Betriebsrats nicht verhindern, wird versucht einen unternehmenshörigen Betriebsrat zu installieren. Potenziell unliebsame Arbeiter:innen werden gezielt schikaniert, intensiv überwacht – per Videokamera oder auch durch eingesetzte Spitzel – oder aufgrund von inszenierten Gründen fristlos gekündigt. Dieser geballten und professionalisierten Macht auf Seiten des Kapitals stehen meistens eingeschüchterte und unerfahrene Arbeitende und Betriebsräte gegenüber.

Dieses menschenverachtende Vorgehen der Unternehmen ist jedoch weder auf moralische Verkommenheit im Management zurückzuführen, noch damit zu erklären, dass das Unternehmen die Märchenerzählung von der sozialen Marktwirtschaft bloß falsch verstanden hat – ergo einfach besser umsetzen müsste. Es ist genau das Gegenteil der Fall, denn erstens verhält sich das Management nach kapitalistischer Logik vollkommen rational, da es versucht die Lohnkosten möglichst niedrig zu halten, um auf dem Markt günstige Produkte oder Dienstleistungen anbieten zu können, da man ansonsten mit der Konkurrenz nicht mithalten kann und pleite macht. Die Organisierung von Arbeiter:innen in Gewerkschaft und/oder Betriebsrat steht natürlich in eindeutigem Widerspruch zu diesem Ziel (dem Drücken der Lohnkosten) und das weiß offensichtlich auch die Klasse der Kapitalist:innen, weshalb sie regelmäßig bereits die Anbahnung dieser Organisierung vehement und mit allen Mitteln bekämpft. Sie wird beim Union Busting also nicht von einer verkommenen Moral angetrieben, sondern vom Konkurrenzdruck des Marktes selbst. Zweitens, und das knüpft an ersteres an, sind es genau die Logiken dieser sich „sozial“ nennenden Marktwirtschaft, welche die wenigen sozialen Sicherheiten, die die Arbeiter:innenbewegung in der Vergangenheit in harten Kämpfen der Kapitalist:innenklasse abgerungen hat, regelmäßig untergräbt und aushöhlt, bis sie bestenfalls noch eine Farce darstellen. Das hindert sozialdemokratische Politiker:innen oder konservative Think-Tanks freilich nicht daran, sich für die angeblich spezifisch bundesrepublikanische „soziale Marktwirtschaft“ fortlaufend selbst auf die Schulter zu klopfen.

Wir, die arbeitende Bevölkerung, wissen aber nur allzu gut, dass das Gelaber von der sozialen Marktwirtschaft nicht mehr als eine Marketing-Lüge ist, denn unsere Interessen stehen in krassem Widerspruch zu jenen der Kapitalist:innen. Dass die offene Austragung dieses Widerspruchs von der Kapitalseite häufig erfolgreich erstickt werden kann, ist eben kein Beweis für dessen Nicht-Existenz. Hinter der sich „sozial“ schimpfenden Fassade verbirgt sich in der BRD selbstverständlich derselbe Kapitalismus, der den gesamten Erdball beherrscht und neben unermesslichem Reichtum für einige Wenige, nur Leid, Ausbeutung und Unterdrückung für die große Mehrheit im Angebot hat.

Wir sagen: Kapitalistenschweine wegbusten! Für die klassenlose Gesellschaft aus Freien und Gleichen! Solidarisch zusammenstehen und Widerstand gegen die perfiden Methoden der Union Busting-Branche organisieren! Sozialistische Planwirtschaft statt “sozialer” Marktwirtschaft!