Der andere 11. September

Beitrag zum Gedenken an den Putsch in Chile 1973

Salvador Allende war 1970-1973 gewählter chilenischer Präsident, der eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von den USA erreichen und eine sozialistische Gesellschaft in Chile aufbauen wollte. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Postkolonialen Staaten Lateinamerikas auch nach offizieller Unabhängigkeit weiterhin wirtschaftlich ausgebeutet. Es mussten zwar keine Abgaben mehr an die spanische Krone gemacht werden, aber stattdessen gehörte der großteil des Kapitals, sowie die Rechte zur Rohstoffförderung ausländischen, vorallem US-Amerikanischen und Britischen Unternehmen.

Mit Beginn von Allendes Regierungszeit folgte in Chile eine radikale Umkehr durch eine entschädigungslose Verstaatlichung der Rohstoffe, Enteignung der Produktionsmittel, sowie sonstigem ausländischem Kapital und einer umfassenden Agrarreform. Auch entstand eine starke und klassenbewusste gewerkschaftliche Massenbewegung, die in enger Zusammenarbeit mit der sozialistischen Regierung sowohl Arbeiter:innen auf dem Land, als auch in den Städten unterstützte und organisierte. Zu Beginn konnten viele Reformen umgesetzt werden, wie kostenfreie Gesundheitsversorgung und Schulbildung, sowie festgesetzte Preise für Grundbedarfsmittel und Mieten. Dadurch gab es in Chile in der ersten Amtszeit einen Wachstumsschub und steigende Reallöhne.

Der Druck, der von US-Großunternehmen wie der ITT, ausging, sorgte dafür, dass die USA kontinuierlich in Chile involviert war. Bereits vor Allendes Regierungszeit begannen die USA mit Interventionen in Chile aufgrund der erstarkenden Linken Bewegung in Chile. Nach der Wahl kontaktierten sogar CEOs von US-amerikanischen multinationalen Unternehmen verschiedene US-amerikanische Regierungsbeamte, um den Druck zu erhöhen und ihre Ablehnung von Allende und seinem Wahlsieg auszudrücken.

Ein weiterer Grund für die im Jahr 1963 begonnene verdeckte Intervention der USA in Chile ist die ideologische Ausrichtung der Innen- und Außenpolitik des Staates. Am 15. September 1970 fand ein Treffen zwischen US-Präsident Richard Nixon und dem CIA-Direktor Richard Helms statt, in dem Nixon die direkte Anweisung gab, die Regierung Allendes auch mithilfe eines Militärputsches zu verhindern.2 Aus verschiedenen Gesprächen und Komiteesitzungen der beteiligten US-Regierungsorgane wurden zwei parallel laufende Aktionsstränge beschlossen, die einen Militärputsch in Chile zum Ziel hatten.

Der erste beinhaltete verdeckte politische, ökonomische und propagandistische Aktivitäten, die Allendes chilenische Gegner:innen dazu bringen sollten, sich politisch und militärisch gegen ihn zu stellen, um so seine Präsidentschaft zu verhindern. Damit sollte eine Alternative zu einem direkten Putsch ermöglicht und dem amtierenden christdemokratischen Präsidenten Eduardo Frei durch eine Untergrabung des demokratischen und konstitutionellen Prozesses eine erneute Präsidentschaft ermöglicht werden.

Der zweite beinhaltete alle Aktivitäten, die der Anweisung von US-Präsident Nixon folgten und direkt mit kooperierenden Teilen des chilenischen Militärs einen Putsch herbeiführen sollten. Die dazu gehörigen Aktivitäten wurden nur zwischen dem CIA-Direktor, wenigen CIA-Agent:innen und dem weißen Haus kommuniziert und geplant. Im Rahmen dieser Aktivitäten wurden Kontakte zu Personen im chilenischen Militär intensiviert und diesen die Unterstützung der US-Regierung vor und nach einem Putsch zugesichert. Der erste Putschversuch vom 22. Oktober 1970 schlug mit der Tötung von René Schneider, einem Allende gegenüber wohlgesinnten General und Oberbefehlshaber des chilenischen Militärs, fehl.

In den darauffolgenden drei Jahren Amtszeit konnte Salvador Allende den Großteil seiner Ziele umsetzen und den Weg zum Sozialismus beschreiten, bis am 11. September 1973 – also heute vor genau 50 Jahren – ein Teil des Militärs mit Unterstützung der CIA und der US-Regierung putschte und mit sofortiger Wirkung eine faschistische und neoliberale Diktatur für die nächsten 17 Jahre errichtete.

Der Putsch in Chile ist ein Paradebeispiel von Folgen imperialistischer Aussenpolitik. Seit der Gründung der imperialistischen Kolonialmacht USA hat diese in verschiedenen anderen Ländern offen und verdeckt militärisch und wirtschaftlich interveniert. Diese Interventionen hatten immer die Sicherung der politischen und wirtschaftlichen Vormachtstellung der USA zum Ziel und haben betroffene Staaten wiederum ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit gekostet. Zur Zeit des Kalten Kriegs fanden diese Interventionen – mit Ausnahme der Stellvertreterkriege – verdeckt statt. In der heutigen Zeit werden diese oft nicht mehr verheimlicht, sie finden immer häufiger offen unter der Propaganda des Schutzes der liberal-demokratischen und kapitalistischen Werte statt und erhalten Zustimmung und Unterstützung in internationaler Politik. 


Quellen:

1 Englisch: U.S. Government Printing Office & Senate Select Committee to study governmental operations with respect to Intelligence Activities. (1975). Covert action in Chile 1963 – 1973 : staff report of the Select Committee to Study Governmental Operations with Respect to Intelligence Activities, United States Senate. [Datensatz]. https://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/94chile.pdf

spanisch: Imprenta del Gobierno de los Estados Unidos & Comisión Electa para el Estudio de Operaciones Gubernamentales concernientes a Actividades de Inteligencia. (1975). Accion encubierta en Chile 1963 – 1973 : Informe de la comision designada para estudiar las operaciones gubernamentales concernientes a actividades de inteligencia [Datensatz]. http://www.derechos.org/nizkor/chile/doc/encubierta.html 

2 Shell, K. L. (1986). Der amerikanische Konservatismus. Kohlhammer. 

3 Sanhueza, A. M. (2023, 30. August). Chile buscará a más de 1.000 desaparecidos de la dictadura, la mayor apuesta de Boric a 50 años del golpe militar. El País Chile. https://elpais.com/chile/2023-08-30/chile-buscara-a-mas-de-mil-desparecidos-de-la-dictadura-la-mayor-apuesta-de-boric-a-50-anos-del-golpe-militar.html

Literaturempfehlungen:

Ljubetic, I. (1978). Chiles Arbeiter im Widerstand. Verlag Marxistische Blätter. 

https://afdd.cl/ – Gruppierung der Angehörigen der Gefangenen und Verschwundenen, die Wahrheit und Gerechtigkeit bezüglich der Menschenrechtsverletzungen in Chile fordern

https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/855615#2004 – Aufzählung aller Interventionen der USA 1823 bis 2004