Zur Notwendigkeit feministischer Militanz – Einfache Sprache

Ein Debattenbeitrag in Einfacher Sprache

Warum wir über „militanten Feminismus“ sprechen

Viele Menschen greifen den Feminismus an.
Sie sagen: Forderungen nach Gleichheit, Selbstbestimmung und Schutz sind „zu viel“ oder „gefährlich“.
Oft nennen sie Feminist:innen sogar „militant“.
Das kommt meist aus einer rechten oder konservativen Ecke.
Feminist:innen nennen sich selbst nur selten so.
Viele haben Angst, dann als „extremistisch“ abgestempelt zu werden.

Diese Beschimpfung ist Absicht.
Wer uns „militant“ nennt, will uns schwächen.
Er oder sie will unsere Anliegen als „irrational“ oder „gefährlich“ darstellen.
So sollen unsere Forderungen weniger ernst genommen werden.

Aber: Unsere Forderungen nach Gleichheit und Selbstbestimmung sind nicht von sich aus „militant“.
Trotzdem ist es wichtig, über das Wort Militanz zu sprechen.
Wenn wir den Begriff den Gegner:innen überlassen, bleibt er eine Waffe gegen uns.
Wenn wir ihn selbst füllen, sehen wir:
Militanz ist nicht böse und nicht Selbstzweck.
Militanz kann ein Mittel sein, um uns zu schützen und Unterdrückung zu brechen.
So bauen wir Gegenmacht auf.

Feminismus

Patriarchale Unterdrückung ist in unserer Gesellschaft normal.
Oft merken wir das erst, wenn wir es selbst erleben:
zum Beispiel weniger Lohn, unfaire Arbeitsteilung zu Hause, Abwertung in der Familie.

Heute ist vieles sichtbarer.
Es gibt Wörter für das, was passiert: GaslightingCatcallingStealthing.
Die Bewegung #MeToo hat gezeigt:
Viele erleben Ähnliches.
Das ist kein Zufall.
Es ist ein System.

Diese Gewalt steckt in den Strukturen:
Frauen leisten viel unbezahlte Sorgearbeit.
Pflege- und Care-Berufe sind schlecht bezahlt.
Es gibt den Gender Pay Gap.
Abtreibungen sind teils kriminalisiert.
Polizei und Gerichte nehmen sexualisierte Gewalt oft nicht ernst.
Migrantische Frauen arbeiten häufig unter unsicheren Bedingungen in Haushalten anderer.
Kurz: Patriarchale Gewalt macht uns abhängig.
Sie wertet unsere Arbeit ab.
Sie macht unsere Körper verfügbar.

Das ist kein Zufall.
Schon Friedrich Engels schrieb 1884:
Die Unterordnung der Frau ist die erste Klassenteilung in der Geschichte.
Sie hängt mit Privateigentum und der patriarchalen Familie zusammen.
Silvia Federici zeigte:
Gewalt gegen Frauenkörper war wichtig für den Aufbau des Kapitalismus,
zum Beispiel bei den Hexenverfolgungen und bis heute bei der Reproduktionsarbeit.

Darum steht Selbstbestimmung im Mittelpunkt.
Wir wollen selbst entscheiden:
Ob wir Kinder bekommen.
Wie wir Sexualität leben.
Wie unser Körper und unsere Geschlechtsidentität sind.
Wen wir lieben.

Aber: Nicht alle haben die gleichen Möglichkeiten.
Manche FLINTA* aus Mittel- und Oberschicht können vieles erkaufen:
Abtreibung, sichere Wohnung, Anwält:innen, medizinische Behandlungen.
Für viele proletarische und migrantische Schwestern geht das nicht.
Patriarchale Gewalt spaltet unsere Klasse.
Manche Männer, die selbst ausgebeutet sind, bekommen dadurch Macht über Frauen.
So wird Solidarität in der Arbeiter:innenklasse schwächer.
Flora Tristan sagte:
„Die Frau ist die Proletarierin des Proletariers.“

Der Staat sagt: „Wir schützen euch.“
In Wirklichkeit sorgt er oft für Unsicherheit.
Abtreibungen: kriminalisiert.
Femizide: passieren weiter.
Eigentum: gut geschützt.
Unsere Körper: nicht gut geschützt.
2024 wurden in Deutschland 103 Frauen ermordet.
Jeden Tag gibt es einen Mordversuch.
Oft müssen wir der Polizei noch erklären,
dass Kleidung keine Schuld ist
und dass nur ein „Ja“ auch „Ja“ bedeutet.

Wir haben es mit Protest, mit Gerichten, mit Politik versucht.
Aber: Männer haben oft Angst, ausgelacht zu werden.
Frauen haben Angst, getötet zu werden.
Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich.
Darum müssen wir Selbstverteidigung neu denken.
Und über feministische Militanz reden.

*FLINTA = Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen.

Gewalt

Wir erleben patriarchale Gewalt oft ganz persönlich:
ein Spruch auf der Straße,
eine grenzüberschreitende Berührung in der Bar,
Gewalt in der Beziehung.
Solche Erlebnisse prägen uns.
Sie verändern, wie wir uns selbst und die Welt sehen.

Oft bekommen wir falsche Erklärungen:
„Du hast provoziert.“
„Dein Kleid war zu kurz.“
„Er hat es aus Liebe getan.“
Diese Erklärungen geben den Betroffenen die Schuld.
Sie verdecken den Zusammenhang:
Patriarchale Gewalt ist ein Mittel, um Frauen zu unterdrücken.

Sie entsteht nicht „einfach so“.
Sie hat eine Funktion.
Engels schrieb:
Die moderne Familie hat Herrschaft auf der einen Seite und Unterdrückung auf der anderen.
Die Familie ist also nicht nur „privat“.
Sie organisiert Unterordnung und gibt sie weiter.
Darum erleben viele FLINTA gerade in Partnerschaft und Familie Gewalt.
Abhängigkeit hält uns oft isoliert und macht Hilfe schwer.

Das Muster sehen wir bis heute:
viel unbezahlte Haus- und Sorgearbeit,
schlecht bezahlte Pflegejobs,
oft niedrigere Löhne als Männer.
Ein Teil der Sorgearbeit wurde zur Ware.
Häufig arbeiten migrantische Frauen darin unter prekären Bedingungen.
Staat und Kapital greifen auf unsere Körper zu
und nutzen alte Bilder von „Weiblichkeit“.
Das spaltet unsere Klasse und hält uns klein.

Wichtig ist:
Gewalt ist nicht Natur.
Sie ist Teil der Ordnung.
Peter Brückner sagte 1976:
Gewalt ist das Fundament der bürgerlichen Gesellschaft.
Man sieht es im Strafvollzug, bei „innerer Sicherheit“ und in der Ausbeutung.
Gewalt bestimmt unser Leben, unsere Arbeit, unsere Körper.

Pazifismus ist in so einer Lage oft ein Privileg.
Wer nicht bedroht ist, kann leicht „gegen jede Gewalt“ sein.
Für Menschen, die ständig bedroht sind,
kann völlige Gewaltfreiheit heißen: aufgeben.

Ein Feminismus ohne Gewalt-Frage bleibt moralischer Appell.
Er verändert die Ordnung nicht.
Wenn Staat, Gesetze und Männer uns nicht schützen,
warum sollten wir uns selbst Friedfertigkeit vorschreiben?

Feministische Gewalt ist nicht Selbstzweck.
Sie spiegelt patriarchale Gewalt nicht.
Sie ist Selbstverteidigung und politischer Angriff zugleich.
Sie nimmt uns die Opferrolle.
Sie zeigt: Gewalt kommt nicht nur von Männern.

Entscheidend ist immer: Wozu?
Patriarchale Gewalt stabilisiert Herrschaft.
Feministische Gewalt soll Herrschaft brechen.
Es geht nicht um Hass auf Männer.
Es geht um Widerstand gegen Strukturen, die uns bedrohen.

Stellt euch vor, sie hätten Angst – nicht wir.
Angst davor, dass Übergriffe Folgen haben.
Appelle an Vernunft und Empathie haben das Patriarchat nicht beendet.
Die Umkehrung der Angst kann das Machtverhältnis verschieben.

Eine militant-feministische Strategie

Das Patriarchat lebt von unserer Angst:
Angst vor dem Heimweg,
Angst vor „Nein“,
Angst vor dem nächsten Übergriff.
Diese Angst ist gemacht.
Sie hält uns still.

Militanz will diese Angst umkehren.
Nicht wir sollen Angst haben,
sondern die, die von unserer Unterordnung profitieren.

Militanz ist Strategie.
Nicht Wutausbruch.
Nicht Rache.
Sie ist ein Mittel unter mehreren.
Immer bezogen auf ein Ziel: Befreiung.

Dazu gehört Organisierung.
Allein fühlen wir uns machtlos.
Gemeinsam erkennen wir das System –
und können handeln.
Jede, die sich wehrt, sendet ein Signal:
„Wenn sie es kann, kann ich es auch.“
So wird aus persönlicher Selbstverteidigung kollektiver Widerstand.

Militanz braucht Plan und Maß.
Sie soll Patriarchat schwächen und Strukturen zerschlagen –
nicht sich selbst genügen.
Sie ist kein romantischer Mythos
und keine unpolitische Gewalt.
Sie ist unser kollektives Mittel im Befreiungskampf.
Darum verbinden wir Militanz mit Aufklärung,
mit Solidarität,
mit Streiks,
mit Organisation in Betrieb, Schule und Nachbarschaft.
Gewalt nur dort, wo sie nötig ist.
Nie als Herrschaftsprinzip.

So öffnet Militanz neue Räume:
Wir leben weniger in Angst.
Wir probieren Freiheit gemeinsam aus.
Geschichte zeigt:
Große Veränderungen wurden selten ohne militante Praxis erreicht.
Militanz ist daher kein Randthema,
sondern ein notwendiger Teil feministischer Strategie.

Revolution

Feministische Militanz schützt uns im Jetzt.
Aber sie bleibt nicht dort stehen.
Jede kollektive Handlung gegen Unterdrückung
erschüttert ein System aus Patriarchat, Kapitalismus und Rassismus.
Der Horizont ist nicht „ein bisschen sicherer im Patriarchat“.
Der Horizont ist: Patriarchat überwinden –
und mit ihm die Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse.

Die sozialistische Revolution ist deshalb keine große Rede,
sondern eine Folgerung.
Reformen lindern nur.
Sie heilen nicht.
Mit einem System, das auf unserer Unterwerfung beruht,
kann es keinen friedlichen Kompromiss geben.

Auch in der Revolution gilt:
Gewalt ist kein Ziel.
Sie ist ein Mittel, wenn anderes nicht geht.
Legitim ist sie, wenn sie unser Leben, unsere Würde, unsere Freiheit verteidigt.
Ziel ist nicht, Angst zu spiegeln.
Ziel ist eine Gesellschaft ohne Angst als Ordnung.

Militanz schafft Raum,
in dem wir uns Befreiung vorstellen und bauen können.
Gewalt gegen uns ist gemacht.
Was gemacht ist, kann gebrochen werden.

Revolutionärer Feminismus ist kein Rand.
Er verbindet antikapitalistischenantirassistischen und antipatriarchalen Kampf.
Nur zusammen können wir die Herrschaft überwinden,
die unser Leben bestimmt.

Revolution ist nicht fern.
Sie beginnt hier und jetzt:
wenn Angst zu Mut wird,
Vereinzelung zu Organisierung,
Ohnmacht zu Widerstand.
Sie wächst in unseren Körpern,
in unseren Beziehungen,
in unseren Kämpfen.
Sie wird stark,
wenn wir verstehen:
Befreiung ist nur gemeinsam möglich.

Angela Davis sagt sinngemäß:
Wir akzeptieren nicht länger das Untragbare.
Wir ändern, was wir nicht akzeptieren können.
Das ist der Kern feministischer Militanz.