Veteranentag – Ohne uns!

Für große Aufmerksamkeit sorgte der neu eingeführte Veteranentag, der von nun an am 15. Juni stattfinden soll. Dabei will Deutschland diejenigen ehren und feiern, die ihren „Dienst für den Staat“ geleistet haben. Es wird gefeiert, dass Menschen unter dem Vorwand von Freiheit und Sicherheit in Kriege geschickt wurden, die nichts mit Freiheit zu tun haben, und noch weniger mit Sicherheit. Mit groß inszenierten, angeblich familienfreundlichen Veranstaltungen, Plakatkampagnen und viel Pathos wird dieser neue Feiertag als Teil der umfassenden Militarisierungskampagne eingeführt. 

Für uns aber gibt es nichts zu feiern – keine Veteranen, keinen Krieg, und auch nicht diesen Staat!

Daher haben wir uns am „Veteranentag“ an einer Kundgebung gegen die gegenwärtige Militarisierung beteiligt. Mit verschiedenen progressiven Strukturen sind wir uns einig, dass diese erschreckende Entwicklung nicht unkommentiert bleiben kann, und dass der Aufrüstung und den Bestrebungen zu neuer Kriegstüchtigkeit eine schlagkräftige Bewegung entgegengesetzt werden muss. Trotz Regen haben sich etwa 40 Genoss:innen versammelt. Dennoch müssen wir uns eingestehen, dass diese Beteiligung nicht zufriedenstellend ist. Vor dem Hintergrund diverser drängender Krisen und Kampffelder braucht die revolutionäre Bewegung einen klaren Fokus, um Kräfte zu bündeln und gemeinsam entschlossen zu handeln. Für uns ist klar, dass Militarisierung und Krieg als Folge der Zuspitzung kapitalistischer Krisen zu verstehen sind, die unsere gemeinsame Lebensgrundlage gefährden, wie kaum etwas anderes. Mit jeder weiteren Eskalation wird umso deutlicher, dass der gemeinsame Kampf gegen den Militarismus der Fokus revolutionärer Politik in diesen Zeiten sein muss.

Überall werden wir in unserem Alltag mit Werbung für die Bundeswehr konfrontiert, egal ob auf der Straße, in der Schule, auf Social Media, und sogar in Fußballstadien. Mit „Die Rekruten“ hat es eine Serie bereits vor einiger Zeit in den Mainstream geschafft, die den Alltag und das soziale Zusammenleben von Soldat:innen nahbar und sympathisch als Unterhaltung darstellt. Das ist keineswegs als Aufklärung über die durchaus traumatischen Verhältnisse innerhalb der Bundeswehr zu verstehen, sondern vielmehr Teil einer gezielten Normalisierung des Militärs, dem die deutsche Bevölkerung lange Zeit aus guten Gründen mehrheitlich kritisch gegenüberstand. Dabei gerät beinahe in Vergessenheit, dass es sich um eine Institution handelt, deren Geschäft Krieg und Tod ist. Es sollen gezielt junge, also (fast) „wehrfähige“ Menschen angesprochen werden. Dazu zählen auch Schulbesuche, bei denen die Bundeswehr als regulärer Arbeitgeber dargestellt wird, öffentliche Verkehrsmittel in Camouflage-Optik, darunter makaberer Weise auch Schulbusse, und Berufsinformation auf der Gamescom, sodass neben Ballerspielen auch für Action und Ballern im realen Leben geworben wird. Der Militärdienst wird dadurch radikal und bewusst verklärt. Es gehe angeblich um Disziplin, Gemeinschaft und Abenteuer, statt um Krieg und Tod.

Zusätzlich stellt sich die Bundeswehr heutzutage als divers und feministisch dar. Es wird versucht das schäbige Image einer problematischen Männerzusammenkunft loszuwerden, da Emanzipation scheinbar heißt auch Frauen in Kriegen zu verheizen. Frauen und queere Soldat:innen werden häufig in Kampagnen vorangestellt, um die eigene vermeintliche Progressivität zu beweisen. Dabei handelt es sich einerseits um Symbolpolitik, die weibliche Körper zu Marketingrequisiten degradiert. Andererseits liegt die Lösung auch nicht in einer „tatsächlichen“ Gleichstellung innerhalb des Militärapparats. Feminismus strebt nach der Befreiung von patriarchaler Marginalisierung und Unterdrückung, nicht nach Beteiligung von Frauen und Queers an eben dieser. Zudem stehen sexualisierte Gewalt – auch Männern gegenüber – und Frauenverachtung weiterhin auf der Tagesordnung innerhalb der Bundeswehr. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt patriarchaler Aspekte von Krieg und Militär, die der Darstellung einer feministischen Bundeswehr grundlegend widerspricht, und somit in der Debatte immer wieder unter den Tisch gekehrt wird.

Anstelle einer grundlegenden Auseinandersetzung sollen Heldenbilder hochgehalten werden, die nicht der Realität entsprechen. Veteranen sind keine Helden. Bestenfalls sind sie Opfer eines Systems, das Menschen für Macht- und Wirtschaftsinteressen in Kriege schickt. Im schlechtesten Fall sind sie Täter im Namen eben dieses Systems – in den meisten Fällen wohl ein Stück von beidem. Veteranen – das heißt: zerstörte Körper, zerstörte Seelen – durch Erlebnisse im Einsatz oder durch die Strukturen innerhalb der Bundeswehr selbst. Körperliche und seelische Langzeitschäden, Isolation, Depressionen, Sucht, eine erschreckend hohe Suizidrate – das ist die Realität vieler Soldat:innen nach dem „Dienst“. Doch anstatt auf diese zerstörerischen Folgen aufmerksam zu machen, werden sie am Veteranentag systematisch unsichtbar gemacht, wird dieser Horror gezielt verschleiert. Die Realität ist eben keine gute Werbung, um junge Menschen für den Militärdienst zu begeistern. 

Diese Begeisterungsversuche sind selbst erschreckend genug – damit ist das „Überzeugungsrepertoire“ des Staates allerdings längst nicht ausgeschöpft. Auf Freiwilligkeit wird nur gesetzt, solange Aufrüstungsziele auf diesem Weg erreicht werden können. Funktioniert das nicht, wird nichtmehr gefragt, sondern verpflichtet. Die Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht keimt seit einigen Jahren punktuell immer wieder auf. Dabei wurde vor allem über das Erlernen von Tugenden wie Disziplin, Gemeinschaft und Verantwortlichkeit argumentiert. Der tatsächliche Dienst an der Waffe sei dabei nur eine der Optionen, die junge Menschen wählen könnten, wenn sie besonders aufopferungsbereit sind. Dieser Diskurs wurde stark vom Blick auf internationale Kriegsschauplätze und den Verschärfungen der Inlandspolitik Deutschlands geprägt. Mittlerweile sind wir der Wiedereinführung einer direkten Wehrpflicht deutlich nähergekommen. Politiker:innen, die weder sich selbst noch ihre Kinder an die Ostfront stellen müssen, verhandeln über die Freiheit und Zukunft Jugendlicher, als ginge es dabei um eine Kleinigkeit. Über eine konstruierte Notwendigkeit zur Verteidigung ist der Staat drauf und dran uns zu willenlosem Kanonenfutter zu degradieren.

Dabei geht es gar nicht um Verteidigung – es geht um Herrschaft. Um die Aufrechterhaltung eines globalen Ausbeutungssystems. Um die Durchsetzung kapitalistischer Interessen mit Gewalt – außen wie innen. Die Stellung Deutschlands in Europa, und die Stellung Europas in der Welt beginnt zu wanken. Eine Entwicklung die die imperialistischen Zentren so nicht hinnehmen können. Die eigene Position muss um jeden Preis verteidigt werden. Da bezeichnet ein deutscher Kanzler völkerrechtswidrige Angriffskriege auch gern einmal offenkundig als „Drecksarbeit“ Anderer im eigenen Interesse. Die Vormachtstellung Deutschlands solle notwendig sein, um die Freiheit und den Lebensstandard der Bevölkerung zu sichern, während Armut und Existenzängste ständig zunehmen und Freiheiten zunehmen Angriffen ausgesetzt sind. Der Staat, der seine Veteranen feiert, ist derselbe, der Schutzsuchende abschiebt, Arbeiter:innen ausbeutet, progressive Bewegungen kriminalisiert, und sich einen Scheiß für unser Leben interessiert, solange wir weiter ihre Profite erwirtschaften. Aufrüstung nach Innen zeigt sich unter anderem in zunehmender Stärkung der Repression und ihren zuständigen Behörden oder in der Einrichtung einer Heimatschutzdivision. Soldat:innen trainieren bereits jetzt dafür Aufstände gewaltsam niederzuschlagen, von Menschen, die weder sterben noch töten wollen, Menschen, die potentiell Widerstand leisten werden gegen den Krieg für Interessen, die nicht ihre eigenen sind. Für diesen Wahnsinn gibt es nicht genügend Zustimmung – also muss sie geschaffen werden. Kriegspropaganda, Milliarden für Panzer statt Kitas, ein sogenanntes „Sondervermögen“, das plötzlich wie aus dem Nichts bereitsteht: das ist kein Versagen, sondern Strategie.

Was als feierlicher Gedenktag inszeniert wird, ist Teil einer groß angelegten Propagandaoffensive. Militärdienst ist kein Dienst für die Menschheit, sondern gegen sie, ein Dienst für das Kapital, für die NATO, für die Rüstungsindustrie. Für den Profit von Rheinmetall und Thyssen-Krupp und für den Status quo. Der Veteranentag ist nicht für Veteranen. Er ist für den Krieg. Für die Akzeptanz des Krieges. Für die Normalisierung des Krieges.

Wir sagen: Schluss mit dem Mythos des gerechten Kriegs. Schluss mit der Lüge von heldenhaften Soldat:innen. Schluss mit der Verklärung der Bundeswehr.

Dieser Staat braucht den Krieg – die Menschen brauchen den Frieden. Und dieser Frieden kommt nicht von allein. Er kommt nicht vom Bitten, nicht vom Hoffen, nicht vom Warten auf bessere Zeiten. Er kommt durch Organisierung. Durch den Aufbau einer revolutionären Gegenmacht. Durch kollektiven Widerstand gegen Aufrüstung, Krieg, Kapitalismus und gegen dieses System. Der Kampf gegen den Krieg heißt Klassenkampf. Wir werden diesen Tag nicht feiern, wir werden nicht für diesen Staat sterben, wir werden Widerstand leisten!

Hoch die internationale Solidarität.
Nieder mit dem deutschen Militarismus.
Für den Kommunismus – gegen ihre Kriege.